Investmentfonds.de
31.01.2022:
abrdn Kommentar: Was erwartet China im Jahr des Tigers?
Köln, den 31.01.2022 (Investmentfonds.de) -
Louis Luo, Investment Director, Multi Asset Investment
Solutions bei abrdn
abrdn Kommentar: Was erwartet China im Jahr des Tigers?
Nach Ansicht von Louis Luo, Investment Director, Multi
Asset Investment Solutions bei abrdn, könnte der
abweichende Kurs in der Geldpolitik Chinas Diversifizie-
rungsvorteile beflügeln:
"Das chinesische Neujahrsfest, das in diesem Jahr auf den
1. Februar fällt, feiern viele Familien mit traditionellem
Essen und Feuerwerk. Sie nutzen die Zeit überdies, um über
die Ereignisse des vergangenen Jahres sowie über das
nachzudenken, was 2022 - dem Jahr des Tigers - vor ihnen liegt.
Anleger, die ihr globales Portfolio diversifizieren möchten,
sollten China unbedingt in Betracht ziehen, da die politischen
Entscheidungsträger des Landes einen anderen Kurs eingeschlagen
haben als ihre Kollegen im Westen. Dort wird sich das Wachstum
vermutlich abschwächen, aufgrund politischer Anreize und
erfolgreicher Impfkampagnen aber weiterhin über dem Trendniveau
liegen. Angesichts der hohen Inflationsraten wird die US-Notenbank
wohl die Zinsen anheben und ihre aufgeblähte Bilanz verkleinern.
Dagegen hatte sich das Wirtschaftswachstum in China, das auf das
Gesamtjahr gesehen um 8,1% gestiegen ist, bereits in der zweiten
Jahreshälfte verlangsamt.[1] Eine fiskalische Straffung, die
veränderte Regulierung und die anhaltenden Auswirkungen von
Covid-19 auf den Konsum hatten daran wesentlichen Anteil. Nun
aber dürfte China einen stärker konjunkturfördernden Kurs
einschlagen.
Währung
In China wird zum Neujahrsfest traditionell Bargeld in roten
Umschlägen verschenkt. Der chinesische Renminbi gehörte im
letzten Jahr zu den Spitzenreitern unter den Schwellenländer-
währungen und wertete um 2,7% gegenüber dem US-Dollar sowie
um 8,1% gegenüber dem handelsgewichteten Währungskorb des
China Foreign Exchange Trade System (CFETS) auf.[2] Diese
Stärke mag eine Überraschung für Beobachter darstellen, die
den Fokus auf die schwache Binnenwirtschaft Chinas legen.
Vor dem Hintergrund der makroökonomischen und geldpolitischen
Unterschiede zwischen China und dem Westen ist sie aber
durchaus nachvollziehbar.
Im Reich der Mitte erholte sich die Industrieproduktion
schneller und stärker als die Binnennachfrage. In den
Industrieländern dagegen zog der Konsum dank fiskalischer
Unterstützung wieder an, während die Lieferengpässe die
dortige Produktion bremsten. Dies beflügelte die Exporte
aus China, sodass der Leistungsbilanzüberschuss des Landes
kräftig stieg und der Renminbi Auftrieb erhielt.
Während westliche Zentralbanken ihre Finanzsysteme mit
Liquidität fluteten, drosselte die People's Bank of China
(PBoC) die Liquidität am Interbankenmarkt nach ersten
Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung im 2. Quartal 2020.
Dank dieser Faktoren verharrte Chinas 7-Tage-Reverse-Repo-Satz
bei 2,1%[3] und damit auf einem historisch niedrigen Niveau,
das jedoch deutlich höher ausfällt als die Null- oder
Negativzinsen in den Industrieländern.
Wir gehen davon aus, dass sich die makroökonomischen und
geldpolitischen Unterschiede zwischen China und dem Westen
im Laufe des Jahres 2022 umkehren werden: Die PBoC wird ihre
Geldpolitik lockern, während die Fed einen Straffungszyklus
einleitet. Die Senkung des Mindestreservesatzes (RRR) und des
Leitzinses für Kredite im vergangenen Jahr war der Beginn des
Lockerungsprozesses im Reich der Mitte.
Diese Kehrtwende dürfte allerdings schrittweise erfolgen,
sodass sich der Renminbi vorerst weiter stark entwickeln wird.
Der beste Zeitpunkt, um sich für eine Aufwertung des CNY
gegenüber dem US-Dollar zu positionieren, liegt damit
wahrscheinlich bereits hinter uns.
Anleihen
2021 war das Jahr des Ochsen und für den Offshore-Anleihenmarkt
eine schwierige Zeit angesichts des angebotsseitigen
Schuldenabbaus im Immobiliensektor. Die Kreditspreads des JACI
China Index weiteten sich bis Ende letzten Jahres auf 400
Basispunkte, denn der Index weist einen hohen Anteil an Anleihen
von Immobilienentwicklern auf. Dies ist der höchste Stand seit
der Eurokrise 2011 und übertrifft die Niveaus, die infolge der
Angst vor einer RMB-Abwertung im Jahr 2015 und während des
Covid-19-Schocks im Jahr 2020 erreicht wurden. Auch ohne
Berücksichtigung von Evergrande stieg die Ausfallquote am
chinesischen Markt für hochverzinsliche Anleihen aus dem
Immobiliensektor sprunghaft auf 11% an.
Trotz der Sorge über einen möglicherweise heiß gelaufenen
Immobiliensektor lockerten die Währungshüter im 4. Quartal
2021 die Kreditbedingungen für Hauskäufer und Bauherren. Wir
erwarten in diesem Jahr weitere geldpolitische Unterstützung
zur Stabilisierung des Immobilienmarktes.
Darüber hinaus preisen die Kreditspreads ein ungünstiges
Ereignis ein. Wir glauben jedoch nicht, dass dies auf lange
Sicht so bleiben wird, da der Offshore-Anleihenmarkt unseres
Erachtens taktische Anlagegelegenheiten bietet. Dabei sind die
richtige Titelauswahl und der richtige Zeitpunkt für einen
Einstieg von entscheidender Bedeutung.
Unterdessen gehörte der Markt für chinesische Staatsanleihen
(CGB) zu den Performance-Spitzenreitern im Jahr 2021 (+5,6%
gegenüber -6,6% beim Bloomberg Global Aggregate Treasury Index
vor Währungseffekten).[4] Dazu trugen das langsamere Wachstum,
die Senkung des Mindestreservesatzes und die Aufnahme in den
globalen Anleihenindex bei. Die kaum steigenden Verbraucherpreise
im Vergleich zum rasanten Preisauftrieb im Westen machten
chinesische Staatsanleihen (A+) mit ihren positiven Realrenditen
zu einer Rarität.
Die Anleger dürften die Aussichten für CGBs im Jahr 2022 positiv
einschätzen, solange das Wachstum schwach bleibt und die
geldpolitische Unterstützung noch nicht greift. Sobald sich
das Wachstum erholt und die PBoC ihre Unterstützung zurückfährt,
sollten Anleger das Durationsrisiko in Betracht ziehen und in
das kürzere Ende der Renditekurve umschichten. Denn mit 2,86%
weisen zehnjährige chinesische Staatsanleihen nach wie vor eine
im historischen Vergleich niedrige Rendite auf.[5]
Aktien
Bei chinesischen Aktien gab es im vergangenen Jahr trotz
zweistelligen Gewinnwachstums kein Kursfeuerwerk, da der Markt
und die Bewertungen tendenziell vom Kreditzyklus bestimmt werden.
Der von Bloomberg berechnete Kreditimpuls über 12 Monate schlug
2021 rasant von extrem positiv in extrem negativ um.
Zusätzlich verkompliziert wurde die Lage durch unerwartete
Kursänderungen seitens der chinesischen Regulierer. Neue
Beschränkungen für den Internet- und den Bildungssektor wirkten
sich stark auf Offshore-Aktien aus. Onshore-Aktien aus Bereichen
wie grüne Technologien, Halbleiter und Zulieferer für
Elektrofahrzeuge, die zu den Nutznießern der Regierungspolitik
gehören, behaupteten sich gut. Der Offshore-Aktienindex HSCEI
büßte 2021 22% ein, während der MSCI China A Onshore Index auf
der Stelle trat.[6]
Anleger sollten bedenken, dass die Reformen mit dem Ziel erfolgten,
ein langfristiges und qualitatives Wachstum zu fördern.
Was bringt das neue Jahr?
An Neujahr hängen die Chinesen rote Laternen auf, um Energie,
Wohlstand und Glück anzuziehen - und das kommende Jahr sieht
vielversprechend aus. Unseres Erachtens wird sich die chinesische
Regierung wieder auf kurzfristigere Wachstumsziele konzentrieren.
Wir erwarten daher Maßnahmen zur Stabilisierung des Wachstums wie
höhere Infrastrukturausgaben, Investitionen in das verarbeitende
Gewerbe, Steuersenkungen und Anreize zur Förderung der
Konsumausgaben. Gleichzeitig dürfte es zu einer Wende im
Kreditzyklus kommen.
Wir schätzen die Aussichten für chinesische A-Aktien gestützt auf
weiteres Gewinnwachstum und Neubewertungen positiv ein. Wir
bevorzugen ein ausgewogenes Engagement zwischen Aktien aus neuen
Wirtschaftssektoren mit starkem Wachstumsausblick und Titeln der
"Old Economy" mit Bewertungspuffer.
Unsere Haltung gegenüber chinesischen H-Aktien ist differenzierter.
Trotz des rückläufigen Gewinnwachstums und der zurückhaltenden
Positionierung der Anleger, die bereits in Offshore-Aktien
eingepreist sind, warten wir auf Maßnahmen der Regulierer oder
positive Gewinnkorrekturen, bevor wir uns wieder am Markt engagieren.
(mehr)
In der chinesischen Kultur gelten Tiger als wagemutig -
Eigenschaften, die Anleger vermutlich bewundern. Aufgrund der
divergierenden wirtschaftlichen und geldpolitischen Aussichten
gewinnen chinesische Vermögenswerte als Quelle unkorrelierter
Erträge in globalen Portfolios an Bedeutung. Eine etwas wagemutige
Diversifizierung könnte daher im Jahr des Tigers eine wichtige
Rolle für globale Anleger spielen."
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Quelle: Investmentfonds.de
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