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10.02.2022:
StarCapital | Bei Kryptowährungen entweicht schlagartig die heiße Luft
Köln, den 10.02.2022 (Investmentfonds.de) -
Dr. Manfred Schlumberger, Leiter Portfoliomanagement bei StarCapital
Bei Kryptowährungen entweicht schlagartig die heiße Luft
Game-Stop für teure Wachstumswerte?
"Die abrupten Verschärfungen der Geldpolitik der US-Notenbank
und der EZB beschleunigen die schon länger absehbare Zinswende
und deuten auf eine drohende Liquiditätsverknappung für die
Kapitalmärkte hin. Bei unprofitablen Technologiewerten und den
hochgehypten Kryptowährungen entweicht schlagartig die heiße
Luft. Enttäuschende Ausblicke bei extrem hochkapitalisierten
FAANGM-Werten wie Facebook/Meta und Netflix führen zu verheerenden
Kurseinbrüchen. Zeichnet sich hier bereits ein Super-Crash an den
Aktienmärkten ab wie der legendäre Value-Investor Jeremy Grantham
prophezeit oder bieten sich hier lediglich günstige Einstiegs-
gelegenheiten für dynamische Junginvestoren? Wird der Value-Stil
nach seiner Renaissance im ersten Halbjahr 2021 sein Comeback
nicht nur wieder aufnehmen, sondern auch nachhaltig fortsetzen?
Man konnte zuletzt nur mit Mühe dem Kurswechsel der FED folgen.
Erst sollte die Inflationsentwicklung nur «transitorisch» sein,
dann wurde das Ende der Anleihekäufe vorgezogen, und plötzlich
werden immer mehr Zinserhöhungen in den Raum gestellt - zuletzt
gar fünf an der Zahl. Und last not least der pure Horror in
Form eines möglichen «Quantitative Tightening», also den
Nettoverkauf von Anleihen, der zwangsläufig mit einer Liquiditäts-
verknappung einhergeht. Da wollte natürlich auch die EZB nicht
nachstehen!
Nach einer erschreckenden Fehleinschätzung der Inflationsentwicklung
schliesst Frau Lagarde eine erste Zinserhöhung in 2022 nicht mehr
kategorisch aus. Im April ist Schluss mit dem Kaufprogramm PEPP,
das traditionelle APP-Programm wird zunächst auf 40 Mrd. EUR
monatlich verdoppelt, um dann sukzessive reduziert zu werden.
10-jährige Bundesanleihen werfen wieder positive Renditen ab und
in Italien geht es in Richtung 1,70%. Die Märkte durchschauen die
«Augenwischerei» der EZB und verteuern die Refinanzierung der
italienischen Staatsschuld.
Steigende Zinsen lassen Bewertungen ansteigen
Warum missfallen den Aktienmärkten steigende Zinsen?
Bei unprofitablen hochverschuldeten Unternehmen, häufig aus dem
Technologiesektor, schlagen sich höhere Zinsen unmittelbar auf der
Kostenseite nieder. Steigen die Zinsen, so fällt auch der
Gegenwartswert der zukünftigen Unternehmensgewinne, womit auch der
Unternehmenswert sinkt. Und nicht zuletzt fällt mit steigenden
Zinsen die relative Attraktivität des Aktienmarkts gegenüber anderen
Anlageklassen. Historisch waren Zinserhöhungszyklen stets mit
sinkenden Bewertungskennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis
verbunden. Bei gleichbleibenden Gewinnen impliziert dies also
Kursrückgänge der Aktien: Am gefährlichsten ist eine solche
Entwicklung für hochbewertete Märkte. Ende 1999 lag das KGV des
NASDAQ 100 bei 73 und des S&P 500 bei 30. Das Platzen der
Internetblase liess den NASDAQ um 80% und den S&P 500 um 50% vom
jeweiligen Hoch kollabieren.
Ende 2021 lag der NASDAQ 100 bei einem KGV von knapp über 40.
Im Schnitt der letzten zehn Jahre waren die Gewinne der
NASDAQ-Unternehmen fast 11% gestiegen. Die gewaltige Bewertungs-
expansion resultierte aus den immer tiefer fallenden Zinsen und
einer damit einhergehenden Erhöhung der Verschuldungsgrade
(«Leverage Ratio»), also dem Verhältnis zwischen Schulden und Assets.
Der durchschnittliche Verschuldungsgrad der NASDAQ 100-Unternehmen
war Ende 2021 doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Diese Zahlen
zeigen wie gefährlich ein weiterer Zinsanstieg für Wachstumsfirmen
werden kann.
Kursverfall bei Wachstumswerten
Fast 20% der im NASDAQ Composite notierten Aktien sind seit dem
letzten Jahr um mehr als 80% gefallen. Mehr als ein Drittel fiel
um mehr als 50% von ihren Höchstständen. Lediglich die profitabelsten
FAANGM-Aktien, insbesondere Alphabet, Apple, Amazon und Microsoft,
hielten den Absturz der Technologiebörse in Grenzen. Ohne die
wenigen Topaktien wäre die Korrektur längst zu einem Crash geworden.
Wegen schwächer als erwarteten Ausblicken hat es jedoch Netflix und
Meta bereits heftig erwischt. Alphabet mit einer Gewinnsteigerung
von 35% und auch Warren Buffett-Liebling Apple können ihre in
Relation zur Gewinnentwicklung moderaten Bewertungen (PEG-Ratio)
rechtfertigen. Bei Amazon trägt bereits das Kerngeschäft nicht mehr,
stattdessen forcieren nur noch das Cloud-Business und die
steigenden Preise für die Prime-Mitgliedschaft die Gewinnentwicklung.
Sinnbild der Techno-Korrektur ist der ARK Innovation-Fonds von
«Star-Managerin» Cathie Wood. Die heftigen Abflüsse aus ihrem Fonds
haben sie zu Verkäufen gezwungen und die Kurse vieler unprofitabler
Unternehmen nach unten gerissen. Das Handelsblatt hat errechnet,
dass 75% der Unternehmen, in die sie investiert ist, defizitär sind
und ihr mit 11 Mrd. USD bewertetes Portfolio auf aggregierte
600 Mio. USD Verlust kommt. Ihre Investmentthemen KI, Robotik,
Blockchain und Batterietechnologie bleiben vielversprechend. Die
Frage ist nur, ob sie die richtigen Unternehmen in diesen Segmenten
besitzt. Das Thema «Internet» hat bekanntlich auch in keinster Weise
unter dem Platzen der gleichnamigen Blase im Jahr 2000 gelitten.
Gibt es Hoffnung?
Das Jahr 2021 stand im Zeichen einer phantastischen Gewinnentwicklung
der Unternehmen. Im Laufe der aktuellen US-Berichtssaison haben von
den 55% der Unternehmen, die bereits ihre Zahlen veröffentlicht haben,
82% die Gewinnerwartungen um durchschnittlich fast 9% übertroffen.
Wegen Omikron verlagert sich viel an Wachstum im Jahresverlauf 2022
nach hinten und lässt auf weiter hohe Gewinne hoffen.
Dennoch belasten die hohen Energiekosten und die steigende Inflation
die Einkommen der Haushalte. Auch der Arbeitskräftemangel tangiert
das Wachstum negativ und lässt die Kosten steigen. Gefährlich könnte
es zusätzlich werden, wenn Kurseinbrüche an den Aktienmärkten und
höhere Zinsen die Refinanzierungskosten in der Wirtschaft weiter
ansteigen lassen und den Konsum zusätzlich belasten. Dennoch erscheint
eine Rezession noch in weiter Ferne zu liegen. Mit höheren Zinsen
können die von uns bevorzugten profitablen Value-Werte insbesondere
aus dem Energie- und Rohstoffsektor weiter ansteigen. Europa als
Heimat vieler zyklischer Substanzwerte hat bei einer KGV-Bewertung
von 14 große Chancen, nach vielen Jahren den US-Markt (KGV 22) wieder
outzuperformen. Spannend bleibt zu beobachten, wie die vielen jungen
Investoren, die an den Aktienmarkt gekommen sind, mit größeren
Korrekturen zurechtkommen. Bisher waren sie darauf trainiert, bei
kleinen Rücksetzern sofort nachzukaufen. Funktioniert diese Strategie
nicht mehr, könnte das Interesse an den Aktienmärkten und dann
hoffentlich auch an den Kryptowährungen schnell erlahmen.
Fazit
Die Notenbanken haben sich seit der Finanzkrise mehr und mehr zu
«Managern» der Kapitalmärkte entwickelt. Böse Zungen behaupten sogar
zu «Getriebenen». Insofern sind sie sich bei der Geldpolitik ihrer
Verantwortung für die Vermögenswerte der Bürger bewusst. Bei hohen
Kurseinbrüchen haben sie in der Vergangenheit stets mit Lockerungs-
schritten gegengesteuert. Hoffen wir, dass ihnen die Inflation dies
auch weiterhin ermöglicht. Insofern könnte sich eine von
Liquiditätsentzug verursachte Baisse noch einige Zeit hinauszögern.
Nobelpreisträger Robert Shiller hat bekanntlich bereits 1996 vor
«irrationalen Übertreibungen» an den Aktienmärkten gewarnt. Der Crash
kam aber erst vier lange Jahre später nach einer erneuten
Kursverdoppelung. Übertreibungen - so lehrt die Börsengeschichte -
dauern stets länger als man denkt.
Wir investieren weiterhin bevorzugt in fair bewertete Substanzaktien
und nutzen zur Ergänzung antizyklische Kaufgelegenheiten bei
profitablen Wachstumswerten. Die Rentenmärkte sind leider noch keine
wirklich überzeugenden Anlagealternativen, erfüllen aber ihre Funktion
als Risikopuffer. Das Jahr 2022 wird so bleiben wie erwartet und wie
es begonnen hat - nämlich im Zeichen schwarzer Schwäne! Die
Volatilität wird überproportional hoch bleiben. Aktive Manager sind
gefordert und die Ära des passiven Investierens könnte zumindest
vorläufig beendet sein."
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Quelle: Investmentfonds.de
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