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06.05.2022:
DPAM | DEMOKRATIE UND ESG: AUSWIRKUNGEN UND WERTE IN EINKLANG BRINGEN
Köln, den 06.05.2022 (Investmentfonds.de) -
Ophélie Mortier, Chief Sustainable Investment Officer bei DPAM
Demokratie und ESG: Auswirkungen und Werte in Einklang bringen
Krieg in der Ukraine erinnert uns täglich daran, wie kostbar Freiheit
und Demokratie sind und wie wichtig Sicherheit ist. Paradoxerweise
erfahren gerade in diesem Kontext die sogenannten nachhaltigen
ESG-Investitionen eine gewisse Identitätskrise. Denn fast einhellig
schließen diese Investitionen den Verteidigungssektor aus, weil sie
keine Waffen finanzieren. Auch wenn die sektoralen Verzerrungen
nicht systematisch vergleichbar sind, ist die Untergewichtung des
Energiesektors im Kontext steigender Preise (und damit eine relative
Outperformance) eine Konstante bei diesen Anlagen.
Ukraine-Krieg und Rüstung
Nachhaltige Anlagen sind aus ethischen Gründen in der Regel nicht im
Verteidigungssektor engagiert. Die meisten europäischen Gütesiegel auf
dem Markt verlangen neben dem allgemeinen gesetzlichen Ausschluss von
umstrittenen Rüstungsgütern, den vollständigen Ausschluss von Waffen
und Rüstungsgütern.[1]
Der aktuelle Konflikt rückt die gesamte Debatte über Divestment versus
Engagement wieder in den Mittelpunkt. Es ist jedoch sehr
unwahrscheinlich, dass solche Investitionen zum Thema Ausschluss von
Waffen zurückkehren werden. Neben der finanziellen Performance sind
nachhaltige Kompetenzen und die Verteidigung von Werten für diese Art
von Investitionen ebenso wichtig.
Relokalisierung und Demokratie
Europa hat strategische Industrien wie Halbleiter oder
Telekommunikation in asiatische Drittländer verlagert und ist nun
von Staaten mit fragwürdigen demokratischen Standards abhängig.
Während das Klima weiterhin die ESG-Forschung dominiert, hatte die
Pandemie bereits soziale Fragen und insbesondere die Sicherheit der
Arbeitnehmer in den Vordergrund gerückt. Heute geht es um die Achtung
der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten.
Die Komponente "G" (in ESG) bezieht sich auf die Unternehmensführung und
die Geschäftsethik von Unternehmen. Bei Ländern und Investitionen in
Staatsanleihen bezieht sich diese Dimension auf Institutionen und
demokratische Anforderungen.
Nachhaltige Anlagen tendieren dazu, bestimmte Länder, die keine
demokratischen Mindeststandards einhalten oder gegen die ein Embargo
verhängt wurde, nicht zu finanzieren. Die meisten Investitionen in
nachhaltige Staatsanleihen sind jedoch nach wie vor in Ländern wie
Russland oder China engagiert, wie es auch die traditionellen
Marktindizes tun, was die Glaubwürdigkeit des verantwortungsvollen
und nachhaltigen Ansatzes in Frage stellt.
Land versus Unternehmen
Bei nachhaltigen Anlagen wird im Allgemeinen zwischen dem Land (und der
Investition in Staatsanleihen) und den dort ansässigen Unternehmen
unterschieden. So sollte eine Investition in russische Staatsanleihen
und eine Investition in ein Unternehmen mit Sitz in Russland separat
betrachtet werden. Auch wenn die beiden voneinander getrennt sind, so
ist die Grenze doch nicht so eindeutig. Die nahezu untrennbare
Verbindung zwischen staatlichen Unternehmen wie Gazprom und der
herrschenden Diktatur stört die meisten verantwortungsbewussten Anleger.
Die Situation ist jedoch selten schwarz-weiß. Mehrere Beispiele von
Investitionen in chinesische Unternehmen haben gezeigt, dass sie trotz
der Privatisierung der Unternehmen in Menschenrechtskontroversen im
Zusammenhang mit der Regierungspolitik verwickelt waren. Das Beispiel
des amerikanischen Mikroprozessorherstellers Intel, der sich nach den
negativen Reaktionen auf sein Schreiben entschuldigte, in dem er seine
Lieferanten aufforderte, keine Produkte oder Arbeitskräfte aus der
chinesischen Region Xinjiang zu beziehen, ist in dieser Hinsicht sehr
bezeichnend. Die Situation ist also komplex, und die Verlagerung von
Schlüsselunternehmen steht im Mittelpunkt der Debatte. Neben der Sorge
um nachhaltige Strategien sollten wir auch die Verlagerung europäischer
Schlüsselindustrien in den Westen in Betracht ziehen.
Steigende Energiepreise
Der Anstieg der Energiepreise wirkt sich nachteilig auf die relative
Performance nachhaltiger Anlagen aus und könnte zu einer Umschichtung
dieser Anlagen in so genannte Mainstream-Investments führen, die stärker
im Energiesektor engagiert sind.
Diese Befürchtung einer Trendwende ist jedoch begrenzt. Im Gegenteil,
die Energiekrise und die geopolitische Lage könnten zu einer
Beschleunigung der Energiewende führen, die im Mittelpunkt der Ziele
nachhaltiger Anlagen steht.
Einerseits ist der jüngste IPCC-Bericht eindeutig: Der Klimawandel ist
eine wissenschaftlich erwiesene Bedrohung für das menschliche Wohlergehen
und die globale Gesundheit. Andererseits haben mehrere Länder wie das
Vereinigte Königreich und Deutschland ihre Maßnahmen und Projekte im
Bereich der erneuerbaren Energien weiter verstärkt.
Der 6. Sachstandsbericht zum Klimawandel (IPCC) zeigt einen Anstieg der
Treibhausgasemissionen um 14 % seit der Unterzeichnung des Pariser
Abkommens im Jahr 2015. Obwohl sich die Unterzeichner zu einer
Reduzierung um 45 % bis 2030 verpflichtet haben, war das vergangene Jahr
ein Rekordjahr in Bezug auf die Kohlenstoffemissionen. Um eine Chance zu
haben, die Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 C zu begrenzen, müssen die
Treibhausgasemissionen bis 2025 ihren Höhepunkt erreichen.
Ohne die Frage einer glaubwürdigen universellen Kohlenstoffbepreisung
und möglicher Steuern zu erörtern, setzt dies eine aggressive
Dekarbonisierung und eine echte Finanzierung der Energiewende voraus,
d. h. eine Neuausrichtung der Finanzströme auf letztere.
Heute ist die europäische Taxonomie (und andere kleinere Taxonomien,
die sich außerhalb des europäischen Kontinents entwickeln) das einzige
relativ wirksame Instrument zur Erreichung dieses Ziels, auch wenn sie
in Bezug auf die Investitionsmöglichkeiten einige Schwächen aufweist.
Die Ausweitung auf die anderen 4 Umweltziele dürfte diese Situation
jedoch bereits teilweise korrigieren.
Das Paradox der nachhaltigen Geldanlagen
Nachhaltige Geldanlagen befinden sich heute in einer widersprüchlichen
Situation. Einerseits erinnert uns der Krieg in der Ukraine daran, wie
wichtig zentrale Werte wie Demokratie, Sicherheit und Freiheit sind.
Werte, die im Mittelpunkt eines nachhaltigen Ansatzes für
SRI-qualifizierte Anlagen stehen sollten.
Andererseits könnten der fast einheitliche Ausschluss des Verteidigungs-
und Rüstungssektors und die starke und allgemeine Untergewichtung des
Energiesektors gegen diese Art von Anlagen sprechen. Es könnte zu einer
relativen und vorübergehenden Underperformance kommen. Wir dürfen daher
nicht vergessen, dass die finanzielle Performance ebenso wichtig ist
wie die Glaubwürdigkeit des Nachhaltigkeitswertes dieser Anlagen:
Nachhaltige Investitionen zielen vor allem darauf ab, Regierungen und
Unternehmen zu inklusivem Wachstum und nachhaltiger Leistung auf
mittlere bis lange Sicht zu führen.
Europäischen Vorschriften, insbesondere die SFDR (die Verordnung über
nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienst-
leistungssektor), sind in diesem Zusammenhang eindeutig: Die sogenannten
Artikel 9 (dunkelgrüne) Produkte der SFDR-Klassifizierung stellen das
nachhaltige Ziel über jedes andere Ziel, ob finanziell oder anderweitig.
Der Bezugsrahmen bleibt der Aktionsplan der Europäischen Kommission für
nachhaltige Finanzen, d. h. die Finanzierung einer nachhaltigen und
integrativen Energiewende. Wissenschaftliche Erkenntnisse erinnern uns
auch daran, dass kurzfristige Profitgier nicht von Vorteil ist und dass
es wichtig ist, die Grundwerte, die Unternehmen und Staaten fördern oder
vernachlässigen, ständig zu hinterfragen. Letztendlich geht es um die
Auswirkungen und die Anpassung der Werte.
[1] Belgien war beispielsweise ein Vorreiter mit dem sogenannten
Mahoux-Gesetz, das seit April 2009 die direkte und indirekte Finanzierung
von umstrittenen Waffen wie abgereichertem Uran verbietet. Seitdem haben
mehrere Länder Gesetze verabschiedet, die die Finanzierung von Munition
und Panzern mit abgereichertem Uran, Antipersonenminen und Streumunition
verbieten.
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Quelle: Investmentfonds.de
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