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24.10.2022:
J.P. Morgan Asset Management: 3 Gründe, warum die Zentralbankpolitik im nächsten Jahr weniger restriktiv sein dürfte
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management
3 Gründe, warum die Zentralbankpolitik im nächsten Jahr weniger restriktiv sein dürfte
- Notenbankpolitik führt zu massiver Neubewertung von Vermögenswerten
- Noch je 2 Zinsschritte in USA und Eurozone 2022 – danach stabileres Niveau
- Kapitalmärkte: Überschwang ist verflogen – doch Bewertungsdivergenz ist geblieben
Frankfurt, 24. Oktober 2022 – Die Entwicklung an den Kapitalmärkten wird seit einigen
Monaten sehr stark durch die Politik der Notenbanken bestimmt. Nach Ansicht von
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, wird dies
vorerst auch so bleiben. Daher sei es wichtig, den Fokus auf das weitere Vorgehen der
Notenbanken zu richten, so der Experte bei der Vorstellung des Guide to the Markets für
das vierte Quartal 2022. Drei Gründe sprechen laut Galler dafür, dass die
Zentralbankpolitik im nächsten Jahr weniger restriktiv sein dürfte: erstens verlangsamt
sich das globale Wachstum, zweitens wird die Inflation voraussichtlich zurückgehen, und
drittens wächst inzwischen der „Stress“ an den Finanzmärkten. „Die Chancen sind hoch,
dass wir im nächsten Jahr einen Wechsel in der geldpolitischen Richtung sehen“, erklärt
der Ökonom. Mit Blick auf die Kapitalmärkte sieht er viele schlechte Nachrichten
bereits eingepreist. Die zuletzt stark gestiegenen Renditen bei Anleihen machten zudem
auch diese Anlageklasse wieder deutlich attraktiver. Auf der Aktienseite seien
Qualitätsaktien in Kombination mit Value-Titeln aussichtsreich.
Notenbankpolitik führt zu massiver Neubewertung von Vermögenswerten
Mit den jüngsten Zinserhöhungen hat die US-Notenbank das höchste Tempo seit 30 Jahren
an den Tag gelegt. Dies hat auch gesamtwirtschaftliche Konsequenzen. „Der Leitzins ist
ein zentrales Kriterium für die Wirtschaft. Denn letztlich ist der Leitzins der Preis
des Geldes. Die Risiken, dass im Zuge der starken Zinserhöhungen etwas ‚zu Bruch‘ geht,
sind nicht unerheblich“, erklärt Tilmann Galler. Kletterten beispielsweise die
US-Leitzinsen bis Ende des Jahres auf die vom Markt angenommenen 4,5 Prozent, wäre dies
ein Niveau für Finanzierungskosten, das es zuletzt vor der Finanzkrise gegeben habe.
Auf der Anleihenseite habe es noch nie eine so schnelle und stark einsetzende negative
Wertentwicklung gegeben wie aktuell. Auch am Immobilienmarkt sehe man verstärkte
Korrekturbewegungen.
Noch je 2 Zinsschritte in USA und Eurozone 2022 – danach stabileres Niveau erwartet
Für die USA und die Eurozone sieht Galler in diesem Jahr noch zwei Zinsschritte – in
den USA dürfte das Zinsniveau auf die angenommenen 4,5 Prozent steigen, in der Eurozone
auf über 2,5 Prozent. Danach dürfte es allerdings zu einer Beruhigung auf diesen
Niveaus kommen. Drei Gründe seien dafür ausschlaggebend.
Zum einen verlangsamt sich das globale Wachstum zusehends. In den USA liegen die
Erwartungen für das Wirtschaftswachstum 2023 nur noch bei 0,5 Prozent, in der Eurozone
bei null Prozent. Die Rezessionsgefahr sieht Kapitalmarktexperte Galler in Europa
deutlich höher als in den USA: „In Europa ist nicht mehr die Frage, ob eine Rezession
kommt, sondern wie ausgeprägt sie ausfallen wird. Die Entwicklungen am Energiemarkt,
aber auch die Reaktionen der Fiskalpolitik werden dabei eine zentrale Rolle spielen.
In den USA erwarten wir für dieses Jahr keine Rezession, doch mit schwächerem sowohl
privatem als auch staatlichem Konsum steigt die Gefahr für 2023“, erklärt Galler.
Die bisherige Priorisierung der Notenbanken, zunächst die Inflation zu bekämpfen, und
erst dann das Wirtschaftswachstum in den Blick zu nehmen, sieht Galler nicht in Stein
gemeißelt.
In den USA zeige sich etwa, dass der Immobilienmarkt sehr stark unter den steigenden
Finanzierungskosten leidet. Hypothekenkosten liegen demnach bei inzwischen 25 Prozent –
vor einigen Monaten lag der Wert noch bei rund 15 Prozent. Die Transaktionshäufigkeit
bei Immobilien habe massiv abgenommen, da Käufer nicht mehr jeden Preis mitgehen
könnten. Noch bedrohlicher sei die Lage jedoch am britischen Immobilienmarkt, wo die
Hypothekenzinsen bei inzwischen über 6 Prozent liegen und viel kurzfristiger sind als
in den USA.
Als zweiten Grund, warum die Notenbankpolitik im nächsten Jahr restriktiver ausfallen
dürfte, sieht Tilmann Galler den sich abzeichnenden Rückgang der Inflationsraten.
„Die US-Inflation nimmt bereits ab, wenngleich nicht so schnell wie erhofft“, stellt
Galler fest. Während vor allem bei Nahrungsmitteln oder auch Wohnraum die
Preissteigerung noch einige Zeit hoch bleiben dürfte, ist bei Güterpreisen jedoch ein
stärkerer Rückgang zu beobachten, da viele Menschen Anschaffungen zurückstellen.
Zudem würden die Angebotsengpässe weniger: „Die Preise für Containertransporte gehen
zurück, die Lieferzeiten verringern sich, zudem sind viele Lager des Einzelhandels gut
gefüllt. Dies alles nimmt Druck von den Güterpreisen“, erklärt Galler.
Den zuletzt wachsenden „Stress“ an den Finanzmärkten sieht Tilmann Galler als dritten
Grund für ein künftig behutsameres Agieren der Notenbanken. Der systemische
Stress-Composite-Index der EZB, der die Situation an verschiedenen Finanzmärkten
bündelt, ist demnach zuletzt deutlich über das Level während der Hochphase der Pandemie
angestiegen – insbesondere aufgrund der stark gestiegenen Finanzierungskosten.
„Dieser wachsende Stress kann dazu führen, dass die Zentralbanken ihren Kurs schneller
ändern“, sagt Galler. Die Bank of England sei diesen Schritt bereits gegangen, aufgrund
der Turbulenzen bei den Pensionsfonds. Fed und EZB könnten folgen.
Kapitalmärkte: Überschwang ist verflogen – doch Bewertungsdivergenz ist geblieben
Mit Blick auf die Kapitalmärkte ist zu sehen, dass Aktien deutlich günstiger geworden
sind. Doch während KGVs heruntergegangen seien, mahnen die immer noch sehr hohen
Gewinnmargen zur Vorsicht, so Marktexperte Galler. Aus seiner Sicht ist es noch etwas
zu früh für eine Aktienübergewichtung: „Die Margen vieler Unternehmen werden unter
Druck geraten, da eine schwächere Konjunktur das Umsatzwachstum belastet und der
Kostendruck hoch bleibt, etwa durch steigende Lohnkosten.“ Die gute Nachricht sei
jedoch, dass in den Aktienpreisen eine leichte Rezession bereits eingepreist ist.
Nur bei einer tiefen Rezession könnten Kurse noch einmal deutlicher nachgeben. Unter
den Aktientiteln sieht Galler vor allem Qualitätsaktien vorne: „Unternehmen mit
niedriger Verschuldung, rentablen Geschäftsmodellen und hohen Cashflows sind besonders
attraktiv in Zeiten einer drohenden Rezession. Daneben bleiben Value- und
Dividenden-Titel gegenüber Wachstumswerten trotz Outperformance in den letzten
12 Monaten attraktiv“, sagt Tilmann Galler. Mit Blick auf Regionen hält er die USA,
Großbritannien und die Pazifik-Region für aussichtsreich.
Die Anleihenseite sei wiederum ein Segment, das lange auf der „Verliererseite“
gewesen ist. Inzwischen sind die Renditen jedoch kräftig angestiegen und haben
Anleihen zu neuer Attraktivität verholfen. „Anleihen sollten wieder einen festen Platz
im Portfolio haben, denn es ist wichtig, die Defensive in der Asset-Allokation weiter
zu stärken“, sagt Tilmann Galler. Als besonders attraktiv sieht der Kapitalmarktexperte
hochwertige Staats- und Unternehmensanleihen an, vor allem aus den USA und Asien. Bei
alternativen Anlagestrategien sieht Galler Makro- und flexible Fixed-Income-Strategien
sowie den Bereich Infrastruktur als vielversprechend an.
Die Aussagen einer bestimmten Person geben deren
persönliche Einschätzung wieder (J.P. Morgan Asset Management).
Die zur Verfügung gestellten Informationen erheben
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellen
keine Beratung dar (J.P. Morgan Asset Management).
Quelle: Investmentfonds.de
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