Investmentfonds.de
24.02.2022:
Janus Henderson Investors | Eine lange Reise bis zur Nullemission
Köln, den 24.02.2022 (Investmentfonds.de) -
John Bennett, Director of European Equities und
Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors
Eine lange Reise bis zur Nullemission
- Die Luftfahrtindustrie konzentriert sich auf Triebwerkstechnologien
und nachhaltige Kraftstoffe
- Längerfristig könnten Wasserstoff und Elektroflugzeuge die
Luftfahrtindustrie verändern
- Bei stabilem Luftverkehrsaufkommen dürften Fluggesellschaften dem
sorgfältigen Stockpicker interessante Chancen bieten
Die Luftfahrtindustrie wird in der Netto-Null-Emissionsdebatte immer mehr
in den Vordergrund gerückt. Nicht unbedingt wegen ihres Gesamtausstoßes an
Treibhausgasen - der zwar über dem Durchschnitt liegt, aber nicht der
höchste ist - sondern wegen ihres Ermessenscharakters. Die Gesellschaft
braucht Zement für den Bau von Schulen, Stahl für neue Krankenhäuser, Papier
als Ersatz für Plastik bei Lebensmittelverpackungen und Chemikalien für
unzählige industrielle Prozesse. Aber sind Flüge wirklich so wichtig?
Generell gehen wir davon aus, dass das Wachstum des Luftverkehrs robust
bleiben wird - Familienbesuche, das Bereisen der Welt und ein persönliches
Gespräch sind kaum zu ersetzen oder zu entbehren. Die dänische
Ministerpräsidentin Mette Frederiksen erklärte bei der Ankündigung des
ehrgeizigen neuen Klimaziels des Landes, Inlandsflüge bis 2030 ohne fossile
Brennstoffe durchzuführen: "Reisen ist Leben und deshalb fliegen wir".
Wahrscheinlich wird es so sein, dass es einen wachsenden Anteil umwelt-
bewusster Verbraucher, die nach dem besten Kompromiss suchen, sowie eine
steigende Zahl staatlicher Förderungsmaßnahmen für die Einführung grüner
Technologien geben wird. Bestehende Initiativen in Europa sind beispiels-
weise: das Emissionshandelssystem der EU - das einen finanziellen Anreiz
zur Emissionssenkung schafft, indem es Unternehmen den Handel mit
Emissionszertifikaten ermöglicht, um ihre Kohlenstoffauflagen zu erfüllen,
das System zur Kompensation und zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen
in der internationalen Luftfahrt (CORSIA) sowie ein Vorstoß zur Abschaffung
der Steuerbefreiung für Kerosin.
Wie sehr die Kohlestoffemissionen pro Flug bei den Fluggesellschaften
variieren, zeigen die neu eingeführten Filter auf Flugsuch-Webseiten wie
Google Flights, Skyscanner und Kayak. Ein Grund mehr für die
Fluggesellschaften die Kohlenstoffemissionen bei ihren strategischen
Überlegungen zu berücksichtigen.
Abbildung 1: Das Wachstum des Luftverkehrs vor der Pandemie war bemerkenswert
konstant
Quelle: IATA, Janus Henderson, Oktober 2021, Daten auf der Grundlage von
verkauften Passagierkilometern
Vor der Corona-Pandemie trug die Luftfahrtindustrie zu etwa 2 % der
weltweiten CO2-Emissionen bei. Sollte der Anstieg so stark bleiben wie
bisher, werden sich die Kohlenstoffemissionen des Luftverkehrs bis 2050
verdreifachen.
Was tun? Neue Technologien!
Die International Air Transport Association (IATA) hat eine Resolution zur
Erreichung von Netto-Null-Kohlenstoffemissionen bis 2050 unterzeichnet. Ein
Plan, der vorsieht bis 2050 insgesamt 21,2 Gigatonnen Kohlenstoff einzusparen.
Für Fluggesellschaften (die Eigentümer/Leasinggeber von Flugzeugen sind)
besteht der effektivste Weg zur Reduzierung der Gesamtemissionen darin, in
effizientere Flugzeugtechnologie zu investieren. Diese Technologien werden
von den Zulieferern der Luft- und Raumfahrtindustrie entwickelt. Die
Lieferkette setzt sich zusammen aus den Flugzeugherstellern (z. B. Airbus,
Boeing) sowie einem riesigen weltweiten Zuliefernetzwerk (wie Safran, MTU,
Rolls-Royce, GKN und Meggitt in Europa). Die Entwicklung von Produkten,
die im Vergleich zu den Wettbewerbern eine bessere Umweltbilanz aufweisen,
wird für die Zulieferer zu einem bedeutenden Marktvorteil, der sich
letztlich auch auf die Geschäftsergebnisse auswirken wird.
Heute konzentriert sich die Luft- und Raumfahrtindustrie auf Triebwerks-
technologien und nachhaltige Kraftstoffe, um die Emissionen zu senken.
Das ermöglicht den Kunden die Auswirkungen auf das Klima insgesamt zu
reduzieren. Safran, ein weltweit tätiger Hersteller von Flugzeugtriebwerken,
schätzt, dass er sich aktiv an der Erreichung von fast 90 % der gesamten
CO2-Reduktionsziele beteiligen wird, um bis zum Jahr 2050 eine CO2-Neutralität
in der kommerziellen Luftfahrt zu erreichen. Dabei werden 50 % der Reduktionen
durch die Einführung nachhaltiger Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels,
SAF), 35-40 % durch Triebwerke und Flugzeuge der nächsten Generation, 5-10 %
durch betriebliche Effizienzsteigerungen und 5-10 % durch Kompensationen
und negative Emissionen erreicht.
Kurzfristig: Flugzeugtriebwerke
Kurzfristig wird der Austausch der heutigen Flotte durch innovative Aerodynamik,
Werkstofftechnologie und moderne Flugzeuge mit neuen Triebwerksoptionen (neo)
die größten unmittelbaren Kohlenstoffeinsparungen bringen. Diese Technologie
ist bereits heute von den Herstellern erhältlich und wird dazu beitragen, den
Emissionsanstieg auszugleichen. Ein neuer A320neo beispielsweise spart 20 %
Treibstoff pro Sitz und CO2 im Vergleich zu Flugzeugen der vorherigen Generation,
was zu einer jährlichen Verringerung der CO2-Emissionen um rund 900 Tonnen pro
Flugzeug führt. Diese bestehenden Technologien allein reichen jedoch nicht aus,
um einen Rückgang der Emissionen in der Branche zu bewirken - vor allem, wenn
das Luftverkehrswachstum positiv bleibt.
Mittelfristig: Nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF)
SAF werden aus nachhaltigen Rohstoffen wie gebrauchten Speiseölen, tierischen
Fetten und Ernterückständen hergestellt und können als Kerosinersatz verwendet
werden. Sie werden als „Drop-in“-Kraftstoffe bezeichnet, da sie bedenkenlos mit
vorhandenen fossilen Kraftstoffen gemischt werden können. SAF gelten als
netto-null und nicht als kohlenstofffrei, da bei ihrer Herstellung immer noch
Kohlenstoff emittiert wird. Sie bieten aber dennoch eine erhebliche
Kohlenstoffreduzierung (bis zu 90 %) während des gesamten Lebenszyklus. Laut
Gesetz dürfen Fluggesellschaften derzeit nur 50 % SAF beimischen, bis die
Sicherheit endgültig nachgewiesen ist. Triebwerkshersteller wie Safran,
Rolls-Royce und MTU verwenden jedoch bereits zertifizierte SAF-Mischungen in
bestehenden Triebwerken in Europa und entwickeln Technologien, die eine 100%ige
SAF-Zertifizierung ermöglichen.
Die größte Herausforderung bei SAF ist die Produktionskapazität - derzeit wird
weniger als 1 % des jährlichen Flugtreibstoffs durch SAF gedeckt. Die
Größenordnung wird durch verfügbare Rohstoffe, die Kosten (derzeit drei- bis
achtmal höher als Kerosin) und die erforderliche komplexe und teure Produktions-
infrastruktur begrenzt. Derzeit ist das finnische Unternehmen Neste mit einem
Anteil von rund 40 % an der weltweiten Produktionskapazität für erneuerbare
Dieselkraftstoffe führend auf dem Markt für erneuerbare Kraftstoffe. Darüber
hinaus wird Shell in einer neuen Anlage in Rotterdam, die 2024 in Betrieb
gehen soll, mehr als 800.000 Tonnen erneuerbare Kraftstoffe pro Jahr produzieren.
Die Fähigkeit der Hersteller, mit der Nachfrage auf kosteneffiziente Weise
Schritt zu halten, wird ein entscheidender Faktor für die CO2-Entwicklung der
Branche sein, zumal weithin bekannt ist, dass die kapitalintensiven SAF nur
ein Übergangskraftstoff sind. Die Europäische Kommission hat versucht, die
Einführung von SAF mit dem Programm „Fit For 55“ zu fördern und schlägt vor,
dass die Fluggesellschaften bis 2025 2 %, bis 2030 5 % und bis 2050 63 % SAF
einsetzen sollen.
Langfristig: Wasserstoff, Elektro und andere neue Technologien
Längerfristig entwickeln die Flugzeughersteller Technologien wie Wasserstoff-
und Elektroantriebe sowie Mischbauweisen, um eine Netto-Null-Branche zu
erreichen. Diese Technologie steht jedoch noch vor beträchtlichen Hürden,
da Wasserstoff mehr Energie pro Masse als Kerosin liefert, aber weniger
Energie pro Volumen. Das bedeutet, dass die Flugzeuge völlig neu konzipiert
werden müssen, um riesige Kraftstofftanks einzubauen. Ganz zu schweigen von
einer völlig neuen Betankungsinfrastruktur an den Flughäfen. Vollelektrische
Autos sind zwar weithin als zukunftsweisend anerkannt, aber bei Flugzeugen
lässt sich die erforderliche Schubkraft nur schwer erreichen, ohne dass die
Batterie so schwer ist, dass das Flugzeug nicht vom Boden abheben kann. Airbus
will bis 2035 das erste emissionsfreie Verkehrsflugzeug der Welt entwickeln.
Wir gehen jedoch davon aus, dass dies auf breiter Basis erst viel später im
Jahrzehnt für große Passagierflugzeuge eingeführt wird.
Fazit
Wenn das Luftverkehrsaufkommen stabil bleibt, werden Fluggesellschaften dem
sorgfältigen Stockpicker wahrscheinlich ausgewählte Chancen bieten.
Flugzeughersteller und ihre Lieferketten werden bei der Umstellung auf
Netto-Null-Energie entscheidend sein, wobei diejenigen, die bei den neuen
Technologien führend sind, wahrscheinlich den größten Wert für die Aktionäre
schaffen. Allerdings kann sich der Marktkonsens zu diesem Thema regelmäßig
ändern, da die Entwicklungszeiten oft länger sind als zunächst prognostiziert.
Das unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit einer ständigen fundamentalen
Neubewertung. Die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung ist, dass die
Dekarbonisierung, wie bei so vielen anderen Branchen, mit einer erheblichen
Inflation für die Verbraucher einhergehen wird, was das Argument stützt,
dass der nächste Zyklus inflationärer sein wird als der letzte.
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Quelle: Investmentfonds.de
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