15.03.2007
Schroders: Markt-Update – Emerging Markets
Köln, den 15.03.2007 (Investmentfonds.de) -
Das Wesentliche in Kürze
Am 27. Februar wurden an den Schwellenländermärkten massiv Aktienbestände abgestoßen:
Der MSCI EM Index fiel um rund 3,1 Prozent, während der MSCI BRIC Index um 3,9 Prozent
nachließ. Der Kursrutsch startete in China, wo auf Renminbi lautende A-Aktien nahezu
9 Prozent ihres Wertes einbüßten (der MSCI Asia sank allerdings nur um 1,3 Prozent).
Es folgte eine Kettenreaktion: Die Märkte Osteuropas, des Nahen und Mittleren Ostens
sowie Afrikas tendierten um 3,7 Prozent schwächer, während Lateinamerika sogar einen
Kursverfall von 6,7 Prozent hinnehmen musste. Hier wirkte sich auch die Schwäche am
US-Markt aus. Der MSCI World Index sank um 2,5 Prozent und der S&P 500 um 3,5 Prozent.
Wie kam es zu dem Kurssturz?
1. China. Anscheinend war der Kursverfall der chinesischen A-Aktien der Auslöser für
die Einbrüche an den weltweiten Aktienmärkten. Wir meinen jedoch nicht, dass es sich
dabei um einen echten Dominoeffekt handelte, auch wenn die Marktstimmung eine gewisse
Rolle spielte. Ausländer können keine auf Renminbi lautende A-Aktien kaufen und der
Markt ist – global gesehen – nicht groß genug, um weltweite Liquiditätsengpässe
auszulösen. Ausländische Investoren kaufen chinesische Aktien in der Regel an der
Börse von Hongkong (z. B. in Hongkong notierte H-Aktien und Red Chips). Diese Aktien
sind nur um 2 bis 3 Prozent gefallen, die Börse von Hongkong schloss um etwa 2 Prozent
schwächer. Unsere GEM- und BRIC-Fonds engagieren sich vor allem über solche Titel auf
dem chinesischen Markt (die Fonds halten auch eine so genannte chinesische B-Aktie).
Wir meinen auch nicht, dass die Rückgänge am A-Aktienmarkt Vorzeichen einer drohenden
Wirtschaftskatastrophe in China sind. Sie reflektieren vielmehr das Bemühen der
chinesischen Aufsichtsbehörden, dem Entstehen einer wirtschaftlichen „Blase“ entgegen-
zuwirken. Die jüngst gemeldeten Wirtschaftsdaten bestätigen, dass die chinesische
Volkswirtschaft weiterhin unter Volldampf steht. So verzeichnete die Industrieproduktion
im Dezember einen Zuwachs von 14,7 Prozent, während die Einzelhandelsumsätze im November
um 14,6 Prozent zulegten. Das BIP stieg im vierten Quartal um 10,4 Prozent; die
annualisierte Wachstumsrate für 2006 liegt damit bei 10,7 Prozent. Die Devisenreserven
wuchsen um weitere 247 Mrd. US-Dollar und betragen jetzt über eine Billion Dollar. Der
A-Aktienmarkt hat seit Anfang 2006 um fast 150 Prozent zugelegt; die politisch
Verantwortlichen sahen sich daher genötigt, einer „Bubble“ zuvorzukommen. Die Auflegung
neuer Fonds wurde bis auf weiteres ausgesetzt, den Banken wird nahegelegt, keine
Investitionskredite mehr zu bewilligen und ganz allgemein ziehen die chinesischen
Aufsichtsbehörden die Bremse an, was die weitere Marktentwicklung betrifft. Dieses
marktpolitische Klima sollte bis auf weiteres anhalten und voraussichtlich zu stärkerem
Druck infolge der hohen Binnenliquidität führen. Wir rechnen mit einem höher
tendierenden, aber volatilen Markt. Insgesamt bewerten wir die Maßnahmen der politischen
Entscheidungsträger in China als angemessen und konstruktiv.
2. USA. Im Zeitraum Dezember bis Januar stiegen die Renditen zehnjähriger US-
Schatzanleihen von rund 4,4 Prozent auf 4,9 Prozent. Die insgesamt positiven Konjunktur-
daten deuteten darauf hin, dass sich der Einbruch des Wohnimmobilienmarktes nicht weiter
auf die Konsumentwicklung ausgewirkt hat. Auch die Federal Reserve zeigte sich in keiner
Weise besorgt, was das rückläufige Wachstum angeht. Im Gegenteil: Die amerikanische
Notenbank wurde nicht müde, auf den anhaltenden Inflationsdruck hinzuweisen. Eine baldige
Senkung der Leitzinsen ist damit unwahrscheinlich. Immerhin schlossen die Aktienmärkte
fester und vor allem zyklische Aktien, wie Stahl- und Chemiewerte, zogen deutlich an.
Insgesamt waren die Weichen also für weiteres Wachstum – wenn auch mit anhaltendem
Inflationsdruck – gestellt.
Was hat sich also geändert? In der Zwischenzeit haben sich schwerwiegende Probleme im
„Sub-prime“-Segment des amerikanischen Hypothekenmarktes abgezeichnet. Gleichzeitig sind
die Konjunkturdaten nicht so gut ausgefallen, wie man erwartet hatte. Die Renditen
zehnjähriger Schatzbriefe gingen wieder auf 4,55 Prozent zurück. Es lässt sich nicht
leugnen, dass die Folgen des Preisverfalls am Immobilienmarkt jetzt langsam durchsickern. Unserer Auffassung nach war die globale Marktreaktion am 27. Februar Ausdruck der wieder
erstarkten Rezessionssorgen.
Vor dem Hintergrund problematischer Wirtschaftsdaten ist es vor allem wichtig, sich von
den kurzfristigen Fluktuationen zu lösen und die langfristige Perspektive im Auge zu
behalten. Als sich im letzten Sommer die Probleme am Immobilienmarkt abzeichneten,
formulierten wir ein makroökonomisches Szenario, das von einer sanften Landung der US-
Konjunktur ausging. Danach sollte die Wachstumsrate sich auf 2,5 bis 3 Prozent
verlangsamen. Dieses Szenario entspricht mittlerweile dem Konsens unter den
Volkswirtschaftern. Auch wir halten selbstverständlich daran fest und es gibt bisher
keine Indikatoren, die diesem Szenario widersprechen. Man kann nicht erwarten, dass der
Rückgang der konjunkturellen Wachstumsdynamik in den USA von einem Niveau weit über 3
Prozent nahtlos und linear vonstatten geht. Vor allem der rückläufige Immobilienmarkt
beeinflusst die anderen Wirtschaftsbereiche auf vielfältige Weise und in
unterschiedlichen Phasen. Da sind zunächst die primären Folgen für Hausbesitzer, dann
die Sekundäreffekte in Form von Hypothekenausfällen und schließlich die langfristigen
Auswirkungen auf das Konsum- und Ausgabeverhalten. Von Quartal zu Quartal könnten die
Wirtschaftsdaten sich also durchaus als günstig erweisen. Das widerspricht in keiner
Weise dem Grundszenario einer sanften konjunkturellen Landung.
Das eigentliche Problem ist vielmehr die Überreaktion des Marktes auf eine
uneinheitliche Einschätzung der weiteren konjunkturellen Entwicklung. Die Fakten, auf
die wir unsere Prognose einer sanften Landung stützen, haben sich jedoch nicht geändert:
relativ niedriger Realzins, günstige Darlehensbedingungen und ausgewogene Unter-
nehmensbilanzen mit einer leicht gegenläufigen Tendenz infolge des schwächelnden US-
Immobilienmarktes.
3. Yen-Carry-Trade. Immer wieder Sorgen bereitet auch die Aussicht, dass steigende
Zinsen in Japan den Märkten bei Auflösung von Yen-Carry-Trades massiv Liquidität
entziehen würden. Die Leitzinsen wurden in Japan erst kürzlich angehoben. Damit hatte
man allerdings allgemein gerechnet. Tatsächlich erfolgte die Zinserhöhung sogar später
als erwartet. Bis auf weiteres dürfte das Zinsgefälle indes bestehen bleiben, auch wenn
die japanische Notenbank – wie wir annehmen – weiter an der Zinsschraube drehen wird.
Inwieweit sich die Carry-Trades wirklich auf die globalen Märkte auswirken, bleibt
strittig. Klar ist jedoch, dass sich das Thema negativ auf die Marktstimmung
niederschlägt.
Was bedeutet das für die Schwellenländermärkte?
Eine sanfte Landung wäre zweifelsohne positiv. Das Wachstum wird in den Industrienationen
zwar etwas geringer ausfallen, aber immer noch voll und ganz ausreichen, damit die
Volkswirtschaften der Emerging Markets ihren Wachstumsvorsprung von 4 Prozent gegenüber
den Industrieländern aufrechterhalten können. Mit geldpolitischen Erschütterungen ist in
den Industrieländern ebenfalls nicht zu rechnen. Die Emerging Markets selbst erfreuen
sich bester wirtschaftlicher Gesundheit: allgemein gesunde Handels- und Haushaltsbilanzen,
solide Devisenreserven, Deflation und Zinssenkungen prägen – mit Ausnahme von Indien –
alle Schwellenländer. Aber natürlich gibt es auch hier Unterschiede. Eine Verschlechterung
der Marktstimmung könnte insbesondere denjenigen Emerging Markets schaden, die ein hohes
Handelsbilanzdefizit aufweisen, wie beispielsweise Indien, Ungarn, Südafrika und die
Türkei.
Bevor der Schock des Kursrutsches überwunden ist, werden Anleger und Fondsmanager wohl
noch ein paar Tage lang eifrig ihre Portfolios umschichten. Vor dem Hintergrund der
dynamischen Wirtschaftsentwicklung an den Emerging Markets und günstiger Bewertungen
begreifen wir diesen Preisverfall als hervorragende Kaufgelegenheit. Unsere Einschätzung
würde sich natürlich grundlegend ändern, wenn sich tatsächlich die Indizien für eine
harte Landung mehrten. Momentan ist das jedoch unwahrscheinlich und wir bleiben bei
unserer positiven Prognose.
Quelle: Investmentfonds.de