Barings Investment-Update: Osteuropa und die Schuldenkrise
In den vergangenen Monaten hat sich die Schuldenkrise in den Peripherieländern der Eurozone vom Banken /Unternehmenssektor auf die Staatshaushalte ausgeweitet. Das Zusammenspiel aus festen Wechselkursen, ausufernder Bürokratie, Überschuldung im öffentlichen und privaten Sektor sowie externen Störfaktoren hatte für Griechenland und andere Länder der Eurozonen-Peripherie einen deutlichen Anstieg der Finanzierungskosten zur Folge. Das 750 Milliarden Euro schwere und damit bis dato größte Rettungspaket der EU konnte zwar zur Stabilisierung der Märkte beitragen, doch sind weiterhin drastische Einsparungen und deutlich höhere Steuer- einnahmen vonnöten, um einen Finanzkollaps auch in Zukunft abzuwenden. Derartige Maßnahmen werden den privaten Verbrauch in diesen Märkten über viele Jahre hinweg belasten. Während der letzten Monate konnten sich die Finanzmärkte ein Bild von den Risiken dieser Länder Europas machen und beobachten die neuen EU-Mitgliedstaaten und die Beitritts- kandidaten nun mit Argusaugen. Staatsschulden - Europäische Schwellenländer und EU-Peripherieländer Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Staatsverschuldung in den europäischen Schwellenländern weitaus weniger Sorge bereitet als in den Ländern der Eurozonen-Peripherie. Die meisten dieser Länder erfüllen das Maastricht-Kriterium einer Staatsverschuldung von maximal 60% des BIP ohne Probleme. In einigen Fällen wie Polen wird ver- schwenderischen Politikern schon durch die Verfassung Einhalt geboten. Die schlechtesten Fundamentaldaten zum Schuldenstand finden sich in Ungarn, doch selbst hier sind die Parallelen zu Deutschland größer als zu Griechenland. Nicht nur die wesentlich nachhaltigere Staats- finanzierung, auch einige andere weniger bekannte Faktoren sprechen für die europäischen Schwellenländer. So ist zum Beispiel die Finanzierung des Rentensystems in Polen vollständig gedeckt. Gleichzeitig lauern in anderen Teilen Europas außerbilanzielle Verpflichtungen aus unterdeckten Rentensystemen mit Umlageverfahren. Darüber hinaus können zahlreiche europäische Schwellenländer mit einem starken und liquiden Banken- und Versicherungssystem aufwarten und bei der (Re-)Finanzierung von Staatsschulden auf den inländischen Markt zurückgreifen. Diese Fähigkeit, die Finanzierung ohne Beteiligung der nervösen internationalen Kapitalmärkte zu sichern, hat sich in den vergangenen Quartalen als entscheidender Vorteil erwiesen. Die Reaktion der Anleihemärkte Die Ereignisse dieses Jahres haben das Risikobewusstsein der Anleihemärkte spürbar geschärft. Am Markt für Staatsanleihen wurde in der Vergangenheit stets der Türkei und Russland die größte Risikoaversion entgegengebracht. Inzwischen genießen diese beiden Länder in Staatsanleiheportfolios fast schon Gold-Status. Die Kombination aus einer glaubwürdigen Fiskalpolitik, einem gesunden Bankensystem, hoher Liquidität und geringer Staatsverschuldung hat dazu geführt, dass türkische und russische Eurobond deutlich niedriger rentieren als griechische oder portugiesische Papiere. Exporte und Binnenwirtschaft Das Geheimnis für den wirtschaftlichen Erfolg Mitteleuropas während des vergangenen Jahrzehnts liegt in der Implementierung einen konkurrenzfähigen Exportmodells in enger Zusammenarbeit mit multi- nationalen Unternehmen. Eine schlanke Wirtschaft und flexible Arbeitsmarktbedingungen sorgten für überdurchschnittliches Wirt- schaftswachstum und eine Exportquote von 60% des BIP und mehr. Flexible Wechselkurse (wie in den meisten europäischen Schwellenländern) können in einer Wirtschaftskrise als automatischer Stabilisierungsfaktor dienen, da so die Leistungsbilanz durch eine Abwertung der Währung wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann. Für die Mitglieder der Eurozone fällt diese Option weg. Zudem bergen Länder wie die Türkei und Polen, bei denen der Anteil der Binnenwirtschaft vergleichsweise hoch ist, strukturelles Wachstumspotenzial in verbrauchernahen Sektoren und bei der Infrastruktur. Genau diesem Potenzial ist es zu verdanken, dass Polen 2009 als einziges europäisches Land kein negatives Wirt- schaftswachstum verzeichnete. Bankensystem und EU-Hilfen Ein entscheidender Vorteil der europäischen Schwellenländer besteht darin, dass in den meisten dieser Länder keine Sanierung der Bilanzen im Banken- sektor nötig ist, sondern sich die Banken vielmehr in der Lage sehen, dank hoher Kapitalisierungsquoten und hoher Liquidität ihre Kreditbücher weiter auszubauen. Zuzuschreiben ist dies der stringenteren Bankenaufsicht als in weiten Teilen Europas. Nur mit einem funktionierenden Bankensystem können EU-Entwicklungsgelder, die in den kommenden drei Jahren in Infrastruktur- projekte in verschiedenen Regionen fließen, optimal eingesetzt werden. Diese Gelder stammen direkt aus dem EU-Haushalt und tragen jährlich zwischen 2% und 4% zum BIP-Wachstum bei, sofern sie vom privaten Sektor erfolgreich eingesetzt und vom lokalen Bankensektor kofinanziert werden. Risiken Natürlich sehen sich Anleger in europäischen Schwellenländern regionen- spezifischen Risiken gegenüber. Der vergleichsweise hohe Anteil der Fremdwährungsschulden einiger Länder (allen voran Ungarn) gibt Anlass zur Sorge. Dieses Risiko ist unbestritten, doch gilt es zu bedenken, dass der Fremdwährungsanteil der Staatsschulden rückläufig ist und auch nach Jahren steigender Tendenz kein strukturelles Schuldenproblem für die Wirtschaft darstellt, da die Verschuldung absolut betrachtet vergleichsweise gering ist. In anderen Worten: Das Konsumwachstum in Ungarn könnte zwar gedämpft werden, doch rechnen wir weiter damit, dass die meisten Haushalte ihre Schulden bedienen können.
Fazit Unseres Erachtens sprechen die oben dargelegten Entwicklungen für deutlich bessere Wachstumsaussichten in den europäischen Schwellenländern (und Russland) als in den höher entwickelten Ländern Europas. Als Motor fungieren hierbei der private Verbrauch und das Investitionswachstum. Der Kreditmultiplikator und die Ausweitung der Kreditbücher werden das Wirt- schaftswachstum stärken, während stabile Haushaltsbilanzen dafür sorgen dürften, dass die Kreditkosten unter Kontrolle bleiben. Am Markt für Staatsanleihen wurden diese Prognosen rasch eingepreist, doch die Aktien- märkte europäischer Schwellenländer sind noch immer niedriger bewertet als Märkte internationaler Schwellenländer und der höher entwickelten europäischen Länder. Hier bietet sich langfristig orientierten Anlegern unserer Ansicht nach eine attraktive Anlagechance. Osteuropäische Barings Fonds Baring Eastern Europe Fund (ISIN IE0004852103) Baring Russia Fund (ISIN LU0073418229)
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