19.04.2005
Deutsche Konjunktur 2005: Ausblick verhalten positiv
Köln, den 19.04.2005 (Investmentfonds.de) - Die Wirtschaftsexperten von Allianz
und Dresdner Bank sehen die Weltwirtschaft auf abgeschwächtem Expansionskurs.
Die Volkswirte von Allianz Group und Dresdner Bank rechnen in ihrer heute in
Frankfurt vorgelegten Konjunkturprognose mit einem Wachstum der deutschen Wirtschaft
von 0,8 Prozent in diesem und 1,8 Prozent im nächsten Jahr.
Für den Euro-Raum prognostizieren sie einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes
(BIP) von 1,5 im laufenden und 2,1 Prozent im kommenden Jahr. Für die Weltwirtschaft
sagen die Ökonomen 2005 ein Wachstum von 3,0 und 2006 von 3,2 Prozent voraus.
Deutsche Wirtschaft: Stimmung seit Februar getrübt
Nach Aussage der Volkswirte ist die deutsche Wirtschaft zunächst gut ins neue Jahr
gestartet. Alle Daten wie Industrieproduktion, Auftragseingang und Export waren im
Januar deutlich nach oben gerichtet. Selbst der Einzelhandel konnte erstmals wieder
nennenswert zulegen.
Seit Februar ist die Stimmung jedoch regelrecht eingebrochen. Hauptbelastungsfaktoren
sind neben dem Ölpreis und dem Höhenflug des Euro zumindest vorübergehend auch die
Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen auf die statistisch gemessene Arbeitslosigkeit.
"Trotz dieser neuerlichen Stimmungseintrübung bleiben wir für die deutsche Konjunktur
in diesem und besonders im kommenden Jahr vorsichtig optimistisch", sagte Michael
Heise, Chefvolkswirt von Allianz Group und Dresdner Bank, bei der heutigen Präsen-
tation.
Privater Konsum: Talsohle durchschritten?
Die Volkswirte schätzen, dass die Binnenkonjunktur 2005 einen Wachstumsbeitrag
von 0,4 Prozentpunkten leisten wird.
Beim privaten Konsum sehen sie erste Anzeichen, dass die Talsohle endlich durch-
schritten ist. Das verfügbare Einkommen steigt voraussichtlich um 2,3 Prozent.
Gleichzeitig ist aber damit zu rechnen, dass auch die Sparquote um 0,1 Prozentpunkte
auf 11 Prozent steigt, sodass der private Konsum im laufenden Jahr vermutlich
insgesamt nur leicht um real 0,5 Prozent zulegen wird.
2005 werden die realen Anlageinvestitionen voraussichtlich erstmals seit 2000 wieder
moderat steigen, obgleich die realen Bauinvestitionen nochmals um 2,5 Prozent sinken
dürften. Der Anstieg der realen Ausrüstungsinvestitionen wird sich auf voraussichtlich
4 Prozent belaufen.
Export bleibt wichtiges Standbein
Nach Ansicht der Experten von Allianz und Dresdner Bank bleibt der Export auch 2005
ein wichtiges Standbein der deutschen Konjunktur. Durch Lohnzurückhaltung und Konso-
lidierung hat die deutsche Wirtschaft inzwischen wieder die internationale
Wettbewerbsfähigkeit erreicht. Selbst wenn die Euro-Aufwertung den Exportzuwachs
etwas dämpfen könnte, werden die realen Exporte in diesem Jahr um 4,6 Prozent
zunehmen.
Trotz des Anstiegs der realen Importe wird die Außenwirtschaft somit einen positiven
Wachstumsbeitrag von knapp 0,4 Prozentpunkten leisten. Für das laufende Jahr rechnen
die Volkswirte mit einer Inflationsrate von 1,5 Prozent. 2006 wird der Preisauftrieb
infolge des auslaufenden Ölpreiseffekts voraussichtlich bei rund einem Prozent
liegen.
Kein positiver Effekt auf Arbeitslosigkeit
Von der Konjunkturentwicklung wird, so die Volkswirte in ihrer Prognose, in diesem
Jahr noch kein positiver Effekt auf die Zahl der Arbeitslosen ausgehen, sodass mit
einer jahresdurchschnittlichen Arbeitslosenzahl von 4,87 Millionen zu rechnen ist
(Arbeitslosenquote: 11,7 Prozent). Die Beschäftigtenzahlen werden 2005 voraussichtlich
um ein Prozent ansteigen, was knapp 400.000 Jobs entspricht.
Unklar ist, inwieweit der Beschäftigungszuwachs auch Einkommen generieren kann. Bisher
sind die zusätzlichen Jobs vorwiegend nicht sozialversicherungspflichtig. "Mit den
Arbeitsmarktreformen entsteht damit in Deutschland eine Art Niedriglohnsektor, was aus
Arbeitsmarktsicht begrüßenswert ist, aber im Hinblick auf die Konjunktur kurzfristig
wenig Impulse gibt", so Heise.
Insgesamt befindet sich Deutschland nach Einschätzung der Volkswirte in einer
schwierigen Übergangsphase und bleibt konjunkturell anfällig. Erst 2006/2007 besteht
die Chance auf einen stabileren Aufwärtstrend.
Europäische Währungsunion: Wiederbelebung der Konjunktur?
Auch die Wiederbelebung der EWU-Konjunktur ist mit gewissen Fragezeichen versehen,
das Zinsumfeld bleibt aber vorerst günstig. "Obwohl das Ergebnis der Verhandlungen
über die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zweifellos enttäuschend ist und
Anlass zur Sorge um die zukünftige Haushaltsdisziplin gibt, besteht auf kurze Sicht
kein Grund für eine geldpolitische Reaktion", betonte Heise.
Zwar habe die Europäische Zentralbank ihre Neigung zu einer Leitzinserhöhung geäußert,
werde diese aber erst gegen Ende dieses Jahres mit einem Schritt von 25 Basispunkten
umsetzen. Nachdem die Defizitquote für den Euro-Raum 2004 bei 2,7 Prozent lag, ist
davon auszugehen, dass sie in den beiden Folgejahren voraussichtlich nur auf etwa 2,5
Prozent abnimmt.
Weltwirtschaft: Ende der Niedrigzinsphase erwartet
Bei der Weltwirtschaft ist das Welthandelsvolumen erneut wichtiger Impulsgeber; für
den Welthandel wird ein Zuwachs von 7,5 Prozent im Jahr 2005 sowie rund 8 Prozent im
Jahr 2006 erwartet.
Nach wie vor ist die laufende Expansionsphase von einer Reihe von Besonderheiten
geprägt, die sich nur teilweise mit früheren Zyklen decken. Sowohl in den USA als
auch in Deutschland ist eine ausgeprägte Steigerung der Kapitalrenditen im Unter-
nehmenssektor bei vergleichsweise schleppender Erholung der Arbeitsmärkte zu erkennen.
Für die nächsten zwei Jahre erwarten die Volkswirte von Allianz Group und Dresdner
Bank ein Ende der Niedrigzinsphase. Auch wenn ihrer Einschätzung nach von einer
deutlichen Entspannung der Ölmärkte im Jahresverlauf 2005 auszugehen ist, bleibt der
Ölpreis ein Risikofaktor für die Konjunktur. Im Jahresmittel 2005 und 2006 prognos-
tizieren sie einen Preis von jeweils 45 US-Dollar pro Barrel.
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter dem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen.
Quelle: Investmentfonds.de