LFDE Macroscope: Aus Liebe zum Risiko? Sparen und Negativzinsen

Mittlerweile werden Anleihen in aller Welt größtenteils mit negativer Rendite gehandelt. Dies war noch vor 5 Jahren bei kaum einer Anleihe der Fall. Nun werden Tag für Tag die Folgen einer Geldpolitik mit dauerhaft negativen Zinssätze immer stärker spürbar und verleiten die Sparer oder Kapitalnehmer, ihre Vorstellungen aus der "Welt davor" zu überdenken.
In den vergangenen Wochen gab es zuhauf symptomatische Beispiele für die Auswirkungen dieser radikalen geldpolitischen Entscheidungen auf die französischen und europäischen Sparer: So kündigten im September mehrere in Frankreich beheimatete Banken für Girokonten vermögender Privatkunden einen Negativzins an. Hiermit wird ein Tabu gebrochen, denn erstmals in der französischen Geschichte können für "reines" Bargeld Gebühren erhoben werden. In Deutschland kündigte die Sparkasse München, die fünftgrößte Sparkasse des Landes, ebenfalls einen Negativzins für Einlagen ab 100.000 Euro an. Diese Gebühren für Girokonten könnten in Europa durchaus Schule machen.
Die Versicherer folgten der Entwicklung in der vergangenen Woche auf dem Fuße. In Frankreich sorgte Generali - und kurz danach auch die Allianz - mit der Aussage für Wirbel, dass "die Herrschaft des EuroFonds zu Ende geht". Der Versicherer bekräftigt, dass er unter den aktuellen Marktbedingungen nicht mehr imstande sei, ein Finanzprodukt mit derart großzügigen Konditionen, d. h. Liquidität, Garantiekapital und jährlichem Sperrklinken-Effekt bei den Erträgen, anzubieten, und dies auch noch mit Steuervorteilen bei den Erträgen und bei Übertragungen.
Hauptgrund für diese aus wirtschaftlicher Sicht radikale Entscheidung ist ebenfalls die dauerhaft negative Rendite eines Großteils der sichersten Anleihen und deren Folgen für das Insolvenzrisiko der Versicherer im Rahmen der Solvency-II-Richtlinie. Falls diese Situation von Dauer sein wird, werden die Versicherer einfach nicht mehr in der Lage sein, das Kapital zu garantieren oder eine garantierte Rendite auf die traditionellen Euro-Fonds auszuschütten. Dies ist der Grund, warum die Sparer mit allen Mitteln von den traditionellen Euro-Fonds abgebracht werden sollen und warum die vorgeschlagenen Alternativen - Immobilien, aktienbasierte Euro-Fonds, finanzielle Rechnungseinheiten oder auch Private Equity - zwei Dinge gemeinsam haben: Sie sollen das Bilanzrisiko des Versicherers verringern und dem Sparer die Aussicht auf eine langfristige Rendite bieten, die nicht null oder negativ ist.
Letztlich wird hierdurch das von der Europäischen Zentralbank durch die Festsetzung negativer Zinssätze angestrebte Ziel umgesetzt: Die EZB zwingt die verschiedenen Wirtschaftsakteure, sei es durch Verschuldung oder sei es durch Investitionen, ein höheres Risiko einzugehen, um die Inflation anzufachen und das Wachstum zu stützen. Denn anstatt über den Kauf von Schuldverschreibungen die Akteure zu finanzieren, die als am sichersten gelten (wie z. B. Staaten), werden die Ersparnisse auf diese Weise hin zu Akteuren und Anlagen gelenkt, die zwar riskanter, jedoch möglicherweise förderlicher für das Wachstum sind und auch höhere Erträge abwerfen. Der Sparer muss nun - wenn schon nicht aus Liebe zum Risiko, dann zumindest aus Eigeninteresse - das Risiko hinnehmen, falls er die Möglichkeit einer auf Dauer über der Inflation liegenden Rendite haben möchte. Tut er dies nicht, ist die Entwertung seines Kapitals sicher.
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