23.03.2007
Bankenpräsident: Chancen jetzt nutzen
Köln, den 23.03.2007 (Investmentfonds.de) - Klaus-Peter Müller
Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken und Sprecher des Vorstandes der
Commerzbank AG
1. Einleitung: Wirtschaftliche Lage
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft hat sich im vergangenen
Jahr gut entwickelt – erstaunlich gut und besser, als von allen erwartet, auch von
uns. Das Wachstum lag bei 2,7 %, und trotz der Steuererhöhungen rechnen wir auch für
2007 mit einer robusten Entwicklung. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit hat sich
2006 gegenüber dem Vorjahr nahezu halbiert. Und: Im letzten Jahr sind über 450.000
neue Arbeitsplätze geschaffen worden.
Wir befinden uns also mitten in einem Aufschwung. Dazu haben erste richtige Weichen-
stellungen der Politik in den Jahren 2004, 2005 und 2006 beigetragen: Die Hartz-Gesetze,
die Senkung der Sozialversicherungsabgaben – und auch die in den letzten Jahren moderate
Lohnpolitik – das alles trägt Früchte und ist anzuerkennen. Der wichtigste Grund für
die gute wirtschaftliche Entwicklung ist aber, dass die Unternehmen ihre Hausaufgaben
gemacht und ihre Wettbewerbsfähigkeit gesteigert haben. Und natürlich profitieren wir
vom starken Wachstum der Weltwirtschaft.
Das alles ist erfreulich. Es hat aber leider auch eine Schattenseite: nämlich falsche
politische Reaktionen. Wir hören, die „Grenze der Zumutbarkeit“ sei erreicht. Wir
hören, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte könne nun „gestreckt werden“.
Der Finanzminister sieht sich, wie gestern zu hören war, für den Haushalt 2008 mit
zusätzlichen Geldforderungen seiner Kabinettskollegen von sage und schreibe 5 Mrd €
konfrontiert. Die Gewerkschaften mahnen „kräftige Lohnerhöhungen“ an. Dazu kann ich
nur sagen: Widerstehen wir diesen Versuchungen! Denn Tatsache ist: Gemessen an den
Reformen, die nötig sind, hat Deutschland einen ersten Teil des Wegs zurückgelegt.
Ein weiterer Teil liegt aber noch vor uns.
Und dabei gilt: Jetzt sind die guten Jahre! Jetzt gilt es, die Chancen zu nutzen –
für mehr Wachstum und Beschäftigung, für eine nachhaltige Konsolidierung der öffent-
lichen Finanzen, für unseren Wohlstand. Dies ist auch erklärter Anspruch der Bundes-
regierung. Sie selbst hat den Jahreswirtschaftsbericht 2007 überschrieben mit den
Worten: „Den Aufschwung für Reformen nutzen“. Ganz richtig: Die Politik darf nun
auf keinen Fall nachlassen – das wäre grundfalsch. Ich möchte dies an einigen
Beispielen erläutern.
2. Wirtschaftspolitische Agenda
Ein erstes Beispiel: das Unternehmenssteuerreformgesetz 2008. Die Bundesregierung
hat den Entwurf in der letzten Woche beschlossen. Die geplante Absenkung der nominalen
Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften auf knapp unter 30 % ist ein richtiger
Schritt – aber andere Länder sind schneller und gehen weiter. Im internationalen
Steuerwettbewerb der großen Industriestaaten landen wir auch nach der Reform besten-
falls im Mittelfeld.
Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz wird auch die einheitlichen Abgeltungsteuer
auf Zinsen, Dividenden und Gewinne aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften
eingeführt. Dies ist gut, aber es gibt auch hier Schattenseiten: Denn der Steuersatz
liegt mit 25 % zu hoch – zu hoch im internationalen Vergleich und zu hoch gemessen
am Eingangssteuersatz. Wenn nachhaltig Steuerbürokratie abgebaut werden soll, brauchen
wir eine definitive Besteuerung beim Kapitalanleger, die ein Veranlagungswahlrecht
unnötig macht. Schon dies setzt einen Abgeltungssatz in der Nähe des Eingangssteuer-
satzes voraus, von der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auf diesem Gebiet gar
nicht zu sprechen.
Bei der Unternehmenssteuerreform ist die geplante Gegenfinanzierung in Teilen kontra-
produktiv – vor allem, weil die steuerliche Nicht-Berücksichtigung von Fremdfinan-
zierungskosten der Unternehmen ausgeweitet wird. Und zwar im Rahmen der Gewerbesteuer
und – durch die so genannte Zinsschranke – bei der Körperschaftsteuer. Mit dem, was
jetzt auf dem Tisch liegt, würde man weit über das politische Ziel einer Verhinderung
unangemessener Fremdfinanzierungen hinausschießen. Sinnvolle und notwendige Finanzierun-
gen dürfen nicht an komplexen bürokratischen Regelungen scheitern. Denn das wäre ein
Hemmnis für Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze.
Hier muss im Gesetzgebungsverfahren nachgesteuert werden. Damit aber kein Missverständ-
nis aufkommt: Wir wollen die Unternehmenssteuerreform. Wir unterstützen die Pläne der
Bundesregierung und hoffen, dass dieses Projekt als Ganzes zügig und reibungslos ver-
abschiedet wird – ohne das ständige Störfeuer, das leider schon wieder zu vernehmen ist.
In wessen Interesse liegt es eigentlich, Widerstand gegen die Unternehmenssteuerreform
zu leisten? Jedenfalls nicht im Interesse der Arbeitslosen. Deren Chancen auf neue
Jobs steigen, wenn der Standort Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt. Und be-
stehende Arbeitsplätze werden sicherer.
Die Chancen am Arbeitsmarkt werden sich weiter verbessern, wenn bei der
Unternehmensbesteuerung eines Tages auch der strukturelle Durchbruch gelingt. Wenn
das Umwandlungs- und das Außensteuerrecht reformiert werden. Wenn die Gewerbesteuer
durch eine bessere Steuer für die Gemeinden ersetzt wird. Wenn wir das Steuerrecht
einfacher und transparenter machen. Und wenn der Holding-Standort Deutschland attrak-
tiver wird, als er es heute – aus steuerlichen Gründen, aber auch wegen der Mitbe-
stimmung – ist. Fusionen, wie sie sich gerade zwischen Barclays und ABN AMRO anbahnen,
wären in Deutschland nur schwer möglich. Es reicht nicht aus, die Probleme zu negieren,
die offensichtlich aus der Mitbestimmung resultieren – wir brauchen konstruktive
Lösungen. Deswegen empfehlen wir der Bundesregierung, in Überlegungen zur Verbesserung
des Holding-Standortes Deutschland einzutreten, damit nicht noch mehr Unternehmen das
Land verlassen. Ein möglicher Ansatz könnte darin liegen, Holdinggesellschaften
mitbestimmungsfrei zu stellen.
Ein weiteres Problem ist die in Deutschland nur schwach ausgeprägte Aktienkultur und
die viel zu geringe Marktkapitalisierung deutscher Unternehmen. In der Schweiz beträgt
zum Beispiel das Anlagevolumen von Pensionsfonds 120 % des Bruttoinlandsprodukts, in
Deutschland sind es ganze 7 %. Auch unter diesem Aspekte ist es wichtig, die Kapital-
deckung in der Altersvorsorge zu stärken.
Es bleibt also noch viel zu tun. Kein Grund zum Ausruhen.
Das gilt ebenso für Reformen in der sozialen Sicherung und auf dem Arbeitsmarkt – mein
zweites Beispiel. Die Gesundheitsreform wurde am Ende doch nur beschlossen, weil man
sie zum Lackmustest der Handlungsfähigkeit der Großen Koalition erklärte. Die Reform
der Pflegeversicherung ist verschoben. Über Mindestlöhne, Investivlöhne und Kombilöhne
wird munter diskutiert. Nicht mehr diskutiert wird leider über mehr Flexibilität am
Arbeitsmarkt, insbesondere beim Kündigungsschutz.
Drittes Beispiel: Die Fortsetzung der Föderalismusreform. Nachdem die erste Stufe
dieser Reform im Koalitionsvertrag detailliert festgelegt und im Wesentlichen so auch
beschlossen wurde, wagt sich die Politik nun an „Föderalismus II“ heran. Dieses Projekt
ist ungleich schwieriger und noch strittiger – aber eben auch: noch wichtiger.
Doch jetzt – kaum ist die Kommission eingesetzt – werden schon die Erwartungen gedämpft
und die Ansprüche heruntergefahren. Das ist kein gutes Signal und lässt wenig hoffen
für das, was viele Politiker noch vor nicht allzu langer Zeit die „Mutter aller Reformen“
genannt haben.
3. Bankpolitische Agenda in Deutschland
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ähnlich wie es der Wirtschaft insgesamt besser geht, geht es auch den Banken besser:
Wir haben im letzten Jahr gute, zum Teil sehr gute Ergebnisse erzielt. Dies geht in
erster Linie auf die Anstrengungen der einzelnen Häuser zurück. Diese haben konsequent
die Chancen eines deutlich verbesserten Marktumfeldes genutzt. Aber nicht nur das:
Die Banken haben die erforderlichen Anpassungen vorgenommen, die Kosten gesenkt und
sind nun gut aufgestellt. Teilweise war das nicht ohne harte Schnitte zu bewerkstelligen.
Was wir aus eigener Kraft bisher haben tun können, haben wir getan. Aber ich füge
hinzu: Wir wollen, dass der Bankenmarkt Deutschland wieder dauerhaft vorn im inter-
nationalen Wettbewerb mitspielt. Und das ist ohne den Beitrag der Politik nicht
möglich. Deswegen muss der Gesetzgeber Strukturen überprüfen und, wo nötig, Reformen
angehen.
Lassen Sie mich mit einigen praktischen Fragen beginnen. Zunächst zur Bankenaufsicht.
Der Erfahrungsbericht zur Bankenaufsicht hat – für uns nicht ganz überraschend –
gezeigt, dass die Kreditwirtschaft insgesamt mit der Arbeit der Aufsicht zufrieden
ist. Das gilt für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wie für die
Deutsche Bundesbank. Dies ist ein erfreuliches Ergebnis.
Das heißt natürlich nicht, dass überhaupt nichts zu verbessern wäre. Handlungsbedarf
besteht zum Beispiel bei den Sonderprüfungen – sie müssen effizienter werden. Hier
steht das Bundesfinanzministerium in der Verantwortung.
Ein offener Punkt ist das Leitungsmodell der BaFin. Wir sind für das Modell, das
der Effizienz der BaFin am meisten dient. Was aber unsere Unterstützung nicht finden
wird, ist eine Schwächung der BaFin und eine Entmachtung ihres Präsidenten.
Zu klären ist weiterhin die Frage der Amtshaftung für die BaFin-Tätigkeit. Das
Bundesministerium der Finanzen hat die Rechts- und Fachaufsicht über die BaFin. Das
ist richtig und sinnvoll. Also muss der Bund auch für eventuell fehlerhaftes Aufsichts-
handeln haften.
Eine rasche Lösung ist auch in der Frage der Kosten aufsichtsfremder Tätigkeiten nötig.
Es kann nicht sein, dass diese Kosten weiterhin den Banken aufgebürdet werden – vor
allem deswegen nicht, weil die Aufgaben der BaFin ständig gerade auch im Nicht-
Aufsichtsbereich ausgeweitet worden sind.
Was im Übrigen nicht das Ergebnis der BaFin-Evaluierung sein darf, ist der Ersatz
von staatlicher Aufsicht durch Verbandsprüfungen. Solange ein Kreditinstitut ein
rechtlich selbstständiges Unternehmen ist, muss es auch so beaufsichtigt werden.
Die notwendige Aufsicht können die Verbände jedenfalls nicht ersetzen – nicht im
Genossenschaftsbereich, nicht bei den Sparkassen und nicht bei uns.
Alles andere schadet dem Finanzplatz. Was dem Finanzplatz Deutschland hingegen nützt –
worauf er allerdings zu lange warten musste –, ist die geplante Einführung von REITs.
Gestern hat der Finanzausschuss den Gesetzentwurf abschließend beraten. Damit kommen
wir zwar voran. Aber leider nicht weit genug. Denn das Ergebnis der teils quälenden
Debatte ist suboptimal.
Ein Thema, bei dem es bislang besser vorangeht, ist der Abbau von Bürokratie. Dass
dies zwingend notwendig ist, ist unstrittig, und die Kreditwirtschaft kann die
Dimension des Problems mittlerweile auch belegen. Ein Gutachten, das der Zentrale
Kreditausschuss in Auftrag gegeben hat, weist eindeutig nach: Allein die Kosten der
Banken für spezifische gesetzliche Informationspflichten belaufen sich auf gut
3 Mrd € im Jahr. Dies ist eine enorme Belastung.
Es ist deshalb richtig, dass die Bundesregierung sich zum Ziel gesetzt hat, die
Bürokratielast der Wirtschaft bis 2011 um ein Viertel zu senken. Je konkreter
die Vorgabe, desto besser. Um sie zu erreichen, sind viele gefordert. Wir unter-
stützen den bereits laufenden Messprozess mit unserem Know-how. Was uns voranbringen
würde – und was wir auch für notwendig halten –, sind gemeinsame Arbeitsgruppen
unter Beteiligung der Wirtschaft. Österreich praktiziert dies sehr erfolgreich:
Dort arbeiten gemischte Experten-Panels, und die Vertreter der Wirtschaft – sprich:
die Praktiker aus den Banken und anderen Unternehmen – sitzen mit am Tisch.
Meine Damen und Herren,
den Kampf gegen die Bürokratie hat die Politik aufgenommen. An die Modernisierung
der schon seit langem unzeitgemäßen Strukturen des deutschen Bankenmarktes traut
sie sich – leider – nur zögerlich heran. Stattdessen wandelt die Politik auf
bekannten Pfaden.
Das jüngste Beispiel hierfür ist zu schön, als dass ich es Ihnen vorenthalten
möchte: Der Landkreis Havelland in Brandenburg hat beschlossen, eine Art „Begrüßungs-
geld“ für Neugeborene zu zahlen – in Höhe von 20 € pro Baby. Man könnte darin einen,
ja, sagen wir: gut gemeinten Beitrag zur Lösung des Demographieproblems sehen.
Diese familienpolitische Maßnahme ist – per Beschluss des Kreistags – wenigstens
finanziert. Aber die Sache hat trotzdem einen Haken: Das Geld wird nur gezahlt,
wenn damit ein Konto bei der örtlichen Sparkasse eröffnet wird.
Und es gibt Stimmen, die darin nicht nur keinen Wettbewerbsverstoß sehen, sondern
die Aktion ausdrücklich befürworten. Das Ganze gipfelt in folgendem Kommentar
eines Politikers: „Kritikwürdig wäre es, wenn der Kreis eine Privatbank beauftragt
hätte.“ Diese könne ein Babygeld ja aus eigener Tasche zahlen.
Dieses kleine Beispiel offenbart, welches Denken in der Politik noch immer anzutreffen
ist.
Tatsächlich aber ist vieles in Bewegung gekommen – der anstehende Verkauf der
Landesbank Berlin Holding AG zeigt es deutlich. Das Kaufinteresse ist groß; heute
ist die Frist zur Abgabe unverbindlicher Angebote zu Ende gegangen.
Einmal mehr ist bezeichnenderweise der Europäischen Kommission zu danken. Sie hat
ein offenes und diskriminierungsfreies Veräußerungsverfahren durchgesetzt. Nach
der Einigung zwischen Kommission und Bundesregierung über den § 40 Kreditwesengesetz
(KWG) steht zudem fest: Der Verkauf der LBB ist kein Sonderfall, sondern ein
Präzedenzfall für weitere Privatisierungen. Denn: § 40 KWG muss künftig stets im
Einklang mit dem europäischen Niederlassungsrecht und den Vorschriften über den
Kapital- und Zahlungsverkehr angewandt werden – so jüngst auch der Berliner
Finanzsenator Sarrazin.
Dass das Thema Bankenstruktur auf der Agenda bleibt, zeigt auch das jüngste
DIW-Vierteljahresheft. Der Staat solle, so das DIW, seine Rolle in der Kredit-
wirtschaft überdenken. Historische Argumente reichten als Rechtfertigung nicht
mehr.
Das kann man nur unterstreichen. Es gibt keinen begründeten Anspruch auf diese
Sonderrolle. Anspruchsdenken hat noch nie von anspruchsvollem Denken gezeugt.
4. Europa und Internationales
Meine Damen und Herren,
damit zu einem anderen Thema: Europa. Am kommenden Wochenende feiern wir mit dem
Europäischen Sondergipfel hier in Berlin den 50. Jahrestag der Römischen Verträge.
Und es steht fest: Die Integration Europas ist eine Erfolgsgeschichte, und die
gemeinsame Währung, der Euro, ist es ebenso! Daran ändern auch unsachliche Kritik
an der Geldpolitik und politische Angriffe auf die Unabhängigkeit der Europäischen
Zentralbank nichts. Bundeskanzlerin Merkel hat hier das Notwendige gesagt.
Acht von zehn Deutschen sind überzeugt, dass die Europäische Union wichtig für
den Erfolg der deutschen Wirtschaft ist – so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage
des Bankenverbandes. Das ist eine realistische und kluge Einschätzung: Europa
liegt im vitalen Interesse Deutschlands. Deswegen muss alles getan werden, damit
Europa eine Erfolgsgeschichte bleibt.
Und das heißt auch: Wir dürfen die Augen nicht vor dem verschließen, was in Europa
noch nicht rund läuft. Vor allem: Europa muss seine Handlungsfähigkeit steigern.
Daher war es nur konsequent, dass die Bundesregierung es zu einem Ziel ihrer
Präsidentschaft erklärt hat, den Verfassungsprozess wieder in Gang zu bringen.
Ebenso wichtig ist, dass der europäische Binnenmarkt funktioniert. Von EU-Binnen-
marktkommissar Charlie McCreevy stammt der schöne Satz: „The Single Market is the
entrance ticket and the training camp for the world stage.“
Wenn ein europäisches Unternehmen weltweit erfolgreich sein will, muss es sich
zuerst im Binnenmarkt bewähren. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn Europa im globalen
Wettbewerb ganz vorn mitspielen will, muss es den Binnenmarkt vollenden!
In ihrem Bericht zu den Wettbewerbsverhältnissen im Privatkundengeschäft hat die
Kommission Ende Januar wieder festgestellt, dass die Integration des Binnenmarktes
im Bereich der Finanzdienstleistungen noch zu wünschen übrig lässt. Auch Deutschland
muss seinen Beitrag zu mehr Wettbewerb in Europa leisten. Dies hat die Kommission
deutlich gemacht – und darauf hingewiesen, dass die Verbünde von Sparkassen und
Genossenschaftsbanken mit ihrem Regionalprinzip den Wettbewerb behindern. Das ist
mit Europa, mit einem gemeinsamen europäischen Finanzmarkt nicht vereinbar.
Handlungsbedarf besteht auch beim Thema SEPA, dem einheitlichen Euro-Zahlungsver-
kehrsraum. Es geht darum, Euro-Zahlungen innerhalb der EU genauso einfach, preis-
günstig und sicher tätigen zu können wie im Inland. Und die Banken sind gerüstet:
Ab Januar 2008 können wir die neuen SEPA-Produkte für Lastschrift, Überweisung
und Kartenzahlungen bereitstellen.
Voraussetzung für die Nutzung der neuen Produkte ist aber, dass der europäische
Gesetzgeber die notwendige Zahlungsverkehrsrichtlinie so rechtzeitig verabschiedet,
dass diese auch in nationales Recht umgesetzt werden kann.
Ohne Richtlinie keine Rechtssicherheit und damit zumindest keine SEPA-Lastschrift!
Dem Vernehmen nach ist gestern auf Arbeitsebene im Rat eine Einigung erzielt worden.
Es ist zu hoffen, dass die Payment Services Directive jetzt zügig abgeschlossen
wird.
Termine und Fristen werden mittlerweile – leider – immer häufiger zu einem Hindernis:
So wird zum Beispiel das deutsche Gesetz zur Umsetzung der MiFID, der Market in
Financial Instruments Directive, voraussichtlich in der nächsten Woche im Bundestag
verabschiedet. Dann kommt noch der Bundesrat, und im Ergebnis wird die Umsetzungsfrist
um mehrere Monate überschritten.
Aber trotzdem ist auf europäischer Ebene noch nicht alles Nötige im Hinblick auf
Durchführung und Auslegung der Richtlinie beschlossen worden. Je später Europa
„liefert“, desto später die nationale Umsetzung – und desto kürzer die Zeit, die
den Banken am Ende bleibt, um das komplexe Regelwerk in der Praxis zu implementieren.
Ähnliche Probleme gab es schon bei der Transparenzrichtlinie. Auf Dauer ist dies
ein unhaltbarer Zustand. Wir brauchen einfach realistischere Zeitvorgaben seitens
der EU – auch dies gehört zu „Better Regulation“!
Es ist also – auf europäischer wie auf nationaler Ebene – noch jede Menge zu tun,
um den Finanzbinnenmarkt Europa zu vollenden. Handlungsbedarf gibt es aber auch
auf globaler Ebene. Lassen Sie mich hier nur zwei Themen herausgreifen: Hedge-Fonds
und Basel II.
Zum ersten: Die Bundesregierung hat zu Recht das Thema Hedge-Fonds auf die Agenda
der G8 gesetzt. Hedge-Fonds sind schon lange keine „exotischen“ Investments mehr.
Im Gegenteil: Aus modernen Finanzmärkten sind sie nicht mehr wegzudenken.
Daher wäre es falsch, Hedge-Fonds zu verteufeln und ihr Geschäft zu erschweren.
Richtig ist es aber, mehr Transparenz im Hinblick auf systemische Risiken herzustellen.
Wie aber ist dies zu erreichen? Mit Sicherheit nicht durch Regulierung oder gar eine
indirekte Beaufsichtigung der Hedge-Fonds über die Banken! Das geeignete Instrument
ist Selbstregulierung, sind Selbstverpflichtungen, ist zum Beispiel ein Code of Best
Practice. Wir unterstützen im Übrigen den Vorschlag der Bundesbank für ein freiwilliges
Rating von Hedge-Fonds.
Damit zum Thema Basel II. In dieser Frage gibt es gute – zumindest bessere – Nachrichten
aus den USA: Nach dem Bericht des Government Accountability Office – das ist so etwas
wie der amerikanische Bundesrechnungshof – wachsen wieder die Hoffnungen auf die
Einführung von Basel II in den USA. Dennoch bleibt es wichtig, dass Europa mit einer
Stimme spricht und Entschlossenheit beweist, um unsere amerikanischen Partner zurück
ins Boot zu holen, und zwar so schnell wie möglich.
Um dies zu erreichen, setzen wir auch auf die Initiative einer Transatlantischen
Wirtschaftspartnerschaft. Die Bundesregierung hat hier unsere volle Unterstützung. Es
geht dabei aber keineswegs nur um Basel II, sondern auch um Fortschritte – sprich: um
mehr gegenseitige Anerkennung von Regeln und Standards – auf vielen anderen Feldern.
Aus dem Bereich der Finanzmarktfragen nenne ich nur beispielhaft die Konvergenz von
IFRS und US-GAAP.
Je mehr Zustimmung die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft findet, desto besser.
Es ist ein positives Signal, dass sowohl der stellvertretende US-Finanzminister Robert
Kimmitt, als auch EU-Kommissar Charlie McCreevy öffentlich Unterstützung für die
Initiative signalisiert haben.
5. Schluss
Meine Damen und Herren,
wenn ich das, was wir von der Politik erwarten, auf eine ganz kurze Formel bringe,
dann lautet sie: Nicht nachlassen! Nicht in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik,
nicht bei der Modernisierung des deutschen Bankenmarktes, nicht in Europa, nicht auf
globaler Ebene.
Nicht nachlassen – das gilt natürlich auch für die kritische Begleitung unserer Arbeit
durch Sie, meine Damen und Herren. Ich bin gespannt auf Ihre Fragen. Vielen Dank!
Quelle: Investmentfonds.de